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News Wer Energiewende sagt, muss auch Effizienz meinen

Das «Woher» der Energie wird breit diskutiert. Das «Wie» ihrer Nutzung aber kaum. Dabei sind Effizienzmassnahmen zwingend, um den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien zu schaffen. Wie die Industrie ihren Beitrag leisten kann, weiss der deutsche Effizienzforscher Alexander Sauer.

Über 75 Milliarden US-Dollar. So viel Geld wird laut der Internationalen Energieagentur (IEA) allein in Europa jährlich in die Energieeffizienz investiert. Das ist nicht ganz selbstlos. «Es geht um die existenzielle Frage, wie unsere Versorgungsnetze in Zukunft funktionieren sollen», sagt Alexander Sauer, Leiter des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion an der Universität Stuttgart. Beim Umstieg von endlichen Ressourcen wie Öl und Kohle auf erneuerbare Energien, die meistens in Form von Strom genutzt werden, kommen zahllose neue Bezüger ans Netz. Damit dessen Stabilität garantiert bleibt, müssen heutige Verbraucher ihren Konsum einschränken. 

Branchenübergreifende Technologien mit Sparpotenzial

Effizienz tut also not, das gilt gerade für die Industrie. In der Schweiz verbraucht sie rund 112 Terawattstunden Energie pro Jahr. Damit entfällt über ein Drittel des jährlichen Gesamtverbrauchs auf den sekundären Sektor – mehr als auf alle Schweizer Haushalte zusammen. In Deutschland verbraucht die Industrie gut 740, in den USA gar rund 7708 Terawattstunden. Wem es mit der Energiewende ernst ist, der tut gut daran, hier anzusetzen. Doch wie packt ein Unternehmen die Effizienzsteigerung an?

Eines vorweg, den Königsweg gibt es angesichts der grossen Vielfalt nicht. Als Faustregel gilt: Für energieintensive Branchen wie Stahl, Chemie oder Papier lohnt es sich, ihre individuellen Fertigungsprozesse zu optimieren und beispielsweise auf effizientere thermische Verfahren zu setzen. Im Bereich Leichtbau ist die dezentrale additive Fertigung mit 3-D-Druck eine Möglichkeit, um Transportemissionen und Material einzusparen.

Die IEA geht allerdings davon aus, dass rund drei Viertel der Energieeinsparungen, die getätigt werden müssen, um die Energiewende zu schaffen, auf nicht energieintensive, häufig eher montagelastige Branchen fallen. Die überwiegende Mehrheit also. Und hier, erklärt Alexander Sauer, haben nicht die Prozess-, sondern die Querschnitttechnologien wie Versorgungs- und Gebäudetechnik das grösste Sparpotenzial. Um das ausschöpfen zu können, ist eines besonders wichtig: Transparenz. «Das klingt trivial», sagt er, «aber Unternehmen sind immer wieder überrascht, welche Energieflüsse in ihrem Betrieb sie gar nicht auf dem Schirm haben.» Doch dieses Wissen ist unerlässlich, damit Massnahmen getroffen und Verbesserungen erzielt werden können.

Die smarte Fabrik ist mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet und produziert einen Grossteil des Energiebedarfes autonom

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Koordination ist das A und O

Am Beispiel eines deutschen Industrieunternehmens erklärt Alexander Sauer, wie solche Massnahmen aussehen können. Für die Energie sorgt dort eine Photovoltaikanlage. Damit dieser Strom sinnvoll eingesetzt wird, nutzt das Unternehmen ein intelligentes Energiemanagementsystem. «Eher energieintensive Prozesse werden im Unternehmen folglich dann eingeplant, wenn das Prognosetool viel Sonneneinstrahlung und entsprechend hohe Stromproduktion voraussagt.» Um auch Produktionsüberschüsse zu nutzen, stellt das Unternehmen die Schutzgase selber her, die es für seine Kernprozesse benötigt. Schutzgase wie Helium, Argon oder CO2 verdrängen Luft und sorgen beispielsweise dafür, dass Nahrungsmittel in Verpackungen weniger schnell verderben oder Metalle bei der Verarbeitung nicht oxidieren. Der überschüssige Strom wird also umgewandelt und kann einfacher gelagert werden. Im Winter sorgt ein Biogas-Blockheizkraftwerk für Wärme und Zusatzstrom. Das Schilffeld, das den Rohstoff für diese Energie bilanziell liefert, liegt gleich neben dem Firmengelände. 

Koordination ist das A und O der Effizienzsteigerung – Koordination von Erzeugung und Verbrauch, aber auch von betrieblichen Abläufen untereinander. «Das kann zum Beispiel heissen, dass ein Prozess, der Abwärme produziert, über das intelligente Energiemanagement zeitlich mit einem anderen Prozess gekoppelt wird, der mit dieser Abwärme etwas anfangen kann – und man etwa via Wärmetauscher Brauchwasser für Duschen aufheizt», erklärt Alexander Sauer. «So muss die entstandene Abwärme nicht in die Atmosphäre abgegeben werden, während gleichzeitig ein anderer Prozess konventionell beheizt wird.»

Grosses Sparpotenzial ortet Sauer auch im Bereich Druckluft, die in der Industrie unter anderem für Lackieranlagen, Hebewerkzeuge, Sandstrahlen, Reinigung, Kühlung und Heizung eingesetzt wird. «Die Erzeugung von Druckluft braucht viel Energie. Über 90 Prozent der Energie, die man aufwendet, werden in Wärme umgewandelt. Nur knapp 10 Prozent stehen schliesslich als Druckluft zur Verfügung. Und davon gehen noch einmal etwa 30 Prozent durch Leckagen verloren.» Wenn ein Betrieb den Kompressor für die Drucklufterzeugung mit einem Blockheizkraftwerk koppelt, die Abwärme der Erzeugung weiter nutzt und die Leckagen behebt, erzielt er einen markanten Effizienzfortschritt. Und der ist auch gesamtgesellschaftlich betrachtet nicht zu unterschätzen: Energie Schweiz rechnet, dass etwa zwei Prozent des schweizerischen Energieverbrauchs auf Druckluftanwendungen zurückzuführen sind.

Nicht zuletzt könne auch mit gesundem Menschenverstand vieles erreicht werden, findet Alexander Sauer: «Es gibt zwar automatisierte Beleuchtungsanlagen, die mit einem intelligenten Energiemanagementsystem verbunden sind. Aber ein Betrieb braucht nicht zwingend komplexe Steuerungen, um das Licht auszuschalten, die Maschinen herunterzufahren und die Türen zu schliessen.»

Energieflüsse in der Produktionshalle effizient nutzen und somit die Umwelt schonen und Kosten einsparen

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